Es geht um Korruption im Sport; am Samstag hatte ich beschrieben, wie schwer es den Ermittlern fällt, Bestechung im Fußball oder Handball zu verfolgen. Als Nachschlag habe ich länger mit Sebastian Fiedler gesprochen. Fiedler hat als Kriminalbeamter jahrelang Wirtschaftskriminalität und Korruption verfolgt. Mittlerweile sitzt Fiedler, 38, im Landesvorstand NRW des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Für die Polizei NRW bildet er Wirtschaftskriminalisten aus. Fiedler will endlich ein Gesetz gegen Korruption im Sport. Das Problem: Das für den Sport zuständige Innenministerium und die Sportverbände wehren sich.
Korruption im Sport kann nicht bestraft werden. Woran liegt das?
Sebstian Fiedler: Im Korruptionsstrafrecht gibt es im Wesentlichen zwei große Kernbereiche: Erstens Bestechung in der Wirtschaft, das betrifft vorwiegend Vergabeentscheidungen. MAN ist beispielsweise mal in die Schlagzeilen geraten, weil beim Verkauf von Lkw systematisch bestochen worden sein soll. So etwas ist strafbar. Der zweite Bereich betrifft das Korrumpieren von Amtsträgern. Zudem gibt es im Gesetz noch die Abgeordnetenbestechung, die allerdings aufgrund der Ausgestaltung des Paragraphen ein stumpfes Schwert ist und daher fast nie zur Anwendung kommen kann. Alle weiteren Korruptionshandlungen sind nicht erfasst. Das bedeutet, dass bei Wettmanipulationen im Sport die eigentliche Bestechungstat nicht strafbar ist. Leute, die Schiedsrichter bestechen oder die bestochenen Schiedsrichter selbst, können nur über juristische Winkelzüge bestraft werden. Zum Beispiel, wenn man die Verbindung zum Wettspieler herstellt, der den eigentlichen Betrug verübt hat. Gelingt es nicht, diese Verbindung nachzuweisen, bleibt ausgerechnet die Tat, die das Verschieben des Spiels erst ermöglicht hat, unbestraft. Dabei ist doch der faire Ablauf eines sportlichen Wettkampfes längst ein eigenes Rechtsgut, das der Gesetzgeber schützen muss.
Was heißt das für die Praxis, für die Ermittlungen?
Da ergeben sich natürlich Probleme. Bei der Korruption gibt es kein klassisches Opfer wie bei Raubdelikten oder Ähnlichem, das eine Anzeige erstattet. Beide Parteien profitieren, sind sich einig und wollen ihre vertraulichen Absprachen geheim halten. Deshalb kommen wir da nur mit verdeckten Ermittlungsmethoden ran. Das Problem ist, dass wir zum Beispiel Telefonüberwachungen nur bei entsprechend schweren Straftaten durchführen dürfen. Die klassische Bestechung eines Amtsträgers würde uns derartige Maßnahmen ermöglichen. Ohne einen Straftatbestand „Bestechlichkeit und Bestechung im Sport“ liegen die Hürden bei Fällen der Spielmanipulation unverhältnismäßig hoch. Wir müssen beispielsweise den Verdacht auf eine „Kriminelle Vereinigung“ oder einen besonders schweren Betrug begründen. Anderenfalls müssten wir auf verdeckt geführte Ermittlungen möglicherweise verzichten. Um eine Spielmanipulation aber nachweisen zu können, müssen wir neben den Geldflüssen und auch die konkrete Absprache beweisen. Diese „Unrechtsvereinbarung“ zwischen dem Bestecher und zum Beispiel einem Schiedsrichter ist der Kern der eigentlichen Tat.
Es gibt einen Entwurf für ein Sportschutzgesetz, den die bayrische Justizministerin Beate Merk vorgelegt hat. Da ist auch die Korruption im Sport erfasst.
Über diesen mittlerweile zwei Jahre alten Entwurf habe ich mich sehr gefreut. Der fasst die Probleme treffend zusammen und liefert richtige und wirksame Lösungsansätze. Ein toller Vorschlag. Der ist meines Erachtens gut genug, um ihn ohne Probleme direkt umsetzen zu können. Es erfordert nur den politischen Willen. Dieses Sportschutzgesetz würde nicht auf einen Schlag alle Probleme im professionellen Sport lösen, versorgt aber die Ermittlungsbehörden mit den notwendigen Kompetenzen, verschafft Handlungssicherheit und stellt ein schreiendes Unrecht endlich unter Strafe.
Die Sportverbände lehnen ein neues Gesetz ab. Der Sport müsse selbst bestimmt bleiben und seine Probleme in der Familie regeln, durch die Sportgerichtsbarkeit.
Das ist dummes Zeug. Das Zitat, alles in der Familie regeln zu wollen, geht wohl auf Joseph Blatter zurück. Diesen Sprachgebrauch kenne ich sonst nur in Zusammenhang mit Mafia-Clans. Große Sportverbände sind nichts anderes als Wirtschaftsunternehmen, die nicht auf Dauer außerhalb der Rechtsordnung stehen dürfen. Normale Unternehmen haben auch Compliance-Abteilungen, verpflichten ihre Mitarbeiter intern dazu, gegen Korruption vorzugehen, stellen Möglichkeiten für Whistleblower zur Verfügung. Aber trotzdem wird bei einem Korruptionsverdacht von außen ermittelt, durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Ich bin ein großer Verfechter des staatlichen Gewaltmonopols. Das muss auch im Sport gelten. So groß Blatters Macht im Fußball auch sein mag, eine Hausdurchsuchung oder Telefonüberwachung kann er glücklicherweise nicht anordnen und durchführen.
Das Innenministerium behauptet immer wieder, das vorhandene materielle Strafrecht würde zur Verfolgung und Bestrafung von Korruption reichen. Christoph Bergner, Staatssekretär im BMI, hat das am Mittwoch im Sportausschuss noch einmal wiederholt.
Das ist ganz einfach faktisch falsch. Wenn er das tatsächlich so geäußert hat, wäre Herrn Bergner, bei allem Respekt, eine strafrechtliche Einführungsvorlesung zu empfehlen. Korruption im Sport ist derzeit nicht strafbar, die anderen möglicherweise zusätzlich einschlägigen Normen schützen vollkommen andere Rechtsgüter. Der Betrug beispielsweise das Vermögen. Die Lauterkeit des Sports ist ein bislang staatlich ungeschütztes Rechtsgut. Mit der gleichen Argumentation könnten wir die Korruption in der Privatwirtschaft auch straffrei stellen, weil häufig zusätzlich ein Untreuedelikt gegeben ist. Das ist im Übrigen nicht wirklich neu oder überraschend. Wir befinden uns da im völligen Einklang mit Deutschlands renommiertestem Lehrstuhl auf diesem Gebiet, dem von Frau Professor Bannenberg an der Uni Gießen. Ihr Mitarbeiter Dr. Braasch weist vor dem Hintergrund seiner Forschungsergebnisse seit Jahren in zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen auf die Situation im Sport hin und zeigt Handlungsnotwendigkeiten auf. Er begrüßt wie wir den bayerischen Gesetzesvorstoß.
Haben Sie Hoffnung, dass ein neues Gesetz geschaffen wird?
Unsere Hintergrundinformationen sind derzeit diffus. Die Lobbyarbeit und persönliche Vernetzung der Sportverbände zur Politik ist nicht zu unterschätzen. Jedenfalls scheint endlich mal Bewegung rein zu kommen; auch weil mit Bochum gegen Cottbus im Jahr 2009 wohl ein Spiel der ersten Bundesliga betroffen ist. Medien berichten, dass bei der italienischen Staatsanwaltschaft in Neapel bei einer Telefonüberwachung der Mafia durch einen Zufall ein Gespräch über Wettmanipulationen bei diesem Spiel abgehört wurde. Auf Zufallsfunde sind die Ermittlungsbehörden oft angewiesen. Den meisten großen Sportverbänden ist der jetzige Gesetzeszustand allerdings ganz recht. Sie fürchten staatliche Ermittlungen, bei denen die Gefahr besteht, dass die wahre Dimension der Probleme an die Öffentlichkeit gerät. So wie große Dopingfälle den Radsport in Verruf gebracht haben, könnten weitere Wettskandale den Fußball erschüttern. Eine Einführung des Korruptionsstraftatbestandes im Sport ist von den Sportverbänden daher nicht gewünscht.