Stell Dir vor, Thomas Bach ist zu Besuch – und keiner sieht zu. Der Sportausschuss tagt am Mittwoch zwei Wochen nach dem iPad-Streit unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Hinter den Kulissen wird offenbar überlegt, wie der Ausschuss wieder öffentlich tagen kann, ohne dass die Regierungskoalition komplett ihr Gesicht verliert.
Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, wird im Sportausschuss am heutigen Mittwoch etwas zur gescheiterten Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2018 erzählen. Zu den Anti-Doping-Berichten soll es auch Fragen geben. Bach hätte sich bestimmt gefreut, wenn ihm Journalisten dabei zugehört hätten. Und Lust, draußen zu warten, hat er sicher auch keine. Eine offizielle Position hat der DOSB zum Ausschluss der Öffentlichkeit bislang nicht eingenommen. Christian Klaue, Pressesprecher des DOSB, schreibt, es sei „nicht die Rolle des DOSB, Entscheidungen des Parlaments zu seiner Geschäftsordnung zu kommentieren“.
Normalerweise ist vom DOSB Christian Sachs aus dem Berliner Büro im Sportausschuss als Beobachter dabei. Sachs hat durch den Ausschluss der Öffentlichkeit nun kein Recht mehr, an den Sitzungen teilzunehmen. Am Mittwoch ist er offiziell als Experte eingeladen, der DOSB erstattet Bericht. Wie es in den kommenden Wochen aussieht, steht nicht fest. Angeblich wird über ein Sonderrecht nachgedacht, das mit der Geschäftsordnung des Bundestages aber wohl kaum vereinbar wäre.
Wie skurril die Situation ist, illustrieren die Sportabzeichen: Schon lange ist geplant, die Anstecknadeln öffentlichkeitswirksam in der Sitzung des Sportausschusses zu verleihen. Dass sei jetzt nicht mehr möglich, sagte SPD-Mann Martin Gerster in einem Beitrag von Grit Hartmann im Deutschlandfunk. Offenbar geht es aber doch: Die Abzeichen sollen wohl vor dem offiziellen Beginn der Tagesordnung verliehen werden. Solcherart Verrenkungen sind nun also nötig. Die Opposition erhofft sich, dass die Verleihung ein wenig „bunter zugeht“ und dadurch der dann folgende Oppositions-Antrag auf Wiederherstellung der dauerhaften Öffentlichkeit stärker beachtet wird.
Derweil geht die kritische Berichterstattung weiter: Die Kollegen Grit Hartmann und Jens Weinreich haben in den letzten Tagen einige kritische Berichte zum Sportausschuss gebracht. Ein paar andere Medien, darunter sogar die Bild, sind drauf eingestiegen. Ob das reicht, um die schwarz-gelbe Koalition zur Umkehr zu bewegen?
Offenbar ist selbst einigen CDU-Politikern mittlerweile klar, wie schlecht die zum Teil peinlichen Begründungen fürs Türen schließen in der Öffentlichkeit ankommen. Es gibt Überlegungen, wie man den Ausschluss der Öffentlichkeit wieder rückgängig machen kann. Der Sportausschuss solle wieder zu dem werden, was er unter Peter Danckert vielleicht einmal war. Angeblich, so hört man, soll sich vor allem die FDP weiter strikt gegen eine erneute Öffnung des Ausschusses stellen. Der FDP-Abgeordnete Joachim Günther war im Deutschlandfunk-Interview mit Moritz Küpper konkret auf die iPad-Spielereien der Abgeordneten angesprochen worden, danach kam das Aus für die Öffentlichkeit.
„Klipp und klar: Es wird beim Ausschluss der Öffentlichkeit bleiben“, sagte heute auch CDU-Mann Eberhard Gienger der dpa. Andere Regierungsmitglieder sind da angeblich nicht so sicher. Nicht am Mittwoch, aber vielleicht in den nächsten Wochen soll es wenn irgendwie möglich eine einvernehmliche Lösung geben. Denkbar wäre zum Beispiel, dass zunehmend Sitzungen als öffentliche Anhörung ausgeschrieben werden, die Öffentlichkeit also zugelassen wird, ohne dass Schwarz-Gelb seinen Beschluss zurücknehmen muss.
Die Opposition erwägt, die Parlamentarischen Geschäftsführer einzuschalten, sollte der Antrag auf Öffentlichkeit am Mittwoch wie erwartet nicht angenommen werden. Die Regierungsfraktionen dominieren den Ausschuss mit einer Mehrheit von 10:8 Stimmen, wenn alle anwesend sind. Hinter den Kulissen werde jedenfalls „auf allen Kanalen gefunkt“, wie es ein Beteiligter ausdrückt. Parlamentarischer Geschäftsführer der Union ist Peter Altmaier, der seit einiger Zeit unter @peteraltmeier auch bei Twitter unterwegs ist und die Piraten umarmt.
Einen schönen Text zur immer stärker geforderten neuen Transparenz (und zur Piratenpartei) hat am Wochenende Hannah Beitzer für die Wochenend-Beilage der Süddeutschen Zeitung geschrieben.
Die verlockendste Botschaft der Piraten ist auch nicht das Internet, es sind die Möglichkeiten, die daraus erwachsen: Transparenz und Mitbestimmung. Hier liegt das wahre Potential der Partei. Mehr Mitmachen wünschen sich nicht nur Computer-Nerds, sondern auch wohlsituierte Bürgersfrauen, Rentner und Familienväter. Das hat die bunte Mischung auf den Occupy-Protesten gezeigt.
Immer mehr Beteiligte befürchten offenbar, dass der Sportausschuss mit dem jetzt beschrittenen Weg seine Existenzberechtigung verliert.
Die Tagesordnung der morgigen Sitzung gibt es hier.
9. November 2011 -
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