Es folgt: Ein Beitrag, den ich seit Wochen schreiben will. Über ein Thema, das in diesem Blog sicher noch manche Fortsetzung erfahren wird – Probleme in der deutschen Sportwissenschaft. Genauer: In dessen zentralem Förderinstitut. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) steht in der Kritik – und bekommt trotzdem mehr Steuergeld.
Über das BISp berichte ich seit mittlerweile fast zwei Jahren für verschiedene Medien. Im Dezember war ich auf der 40-Jahr-Feier des Institutes. Im Hintergrund zu sehen ist das Gebäude des BISp auf dem Gelände des Innenministeriums in der Graurheindorfer Straße 198 in Bonn. Die Vorwürfe gegen das Institut lauteten 2007 unter anderem: Vetternwirtschaft, Steuerverschwendung, fehlende Transparenz.
Das BISp soll Mittel des Bundes auf die knapp 60 deutschen Sport-Unis verteilen (Liste der sportwissenschaftlichen Hochschuleinrichtungen in Deutschland). Gegründet worden war es 1970, in Zeiten des kalten Krieges. Neben gut zweieinhalb Millionen Euro Personal- und Verwaltungskosten hatte das Institut 2011 knapp vier Millionen Euro Steuergeld zur Forschungsförderung zur Verfügung. Dem Innenministerium unterstellt sind auch das Institut für Angewandte Trainingswissenschaften IAT in Leipzig und das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten FES in Berlin. Insgesamt gibt der Bund für die drei Institute 2011 etwa 19 Millionen Euro aus.
Zurück zum BISp: Das Grundproblem des Institutes ist, dass es weder ein echtes Forschungsinstitut ist, wie es zum Beispiel die Institute der Max-Planck-Gesellschaft sind, noch eine Behörde. Daraus ergeben sich: Viele Ansprüche, vergleichsweise wenig Möglichkeiten.
Georg Anders, lange Jahre in leitender Funktion im BISp, beschrieb es auf seinem Festvortrag im Dezember diplomatisch:
„Die Bedingungen der Möglichkeiten des Instituts waren damit festgelegt. Seine Position verortet sich zwischen den vielfältigen Praxisfeldern, dem komplexen Geflecht von Sportorganisationen, öffentlicher Sportverwaltung, politischen Instanzen, die sich mit Sport befassen und der Wissenschaft, insbesondere natürlich der Sportwissenschaft, mit ihren einzelnen Disziplinen, Organisationen, Lehr- und Forschungseinrichtungen. Zur Beschreibung dieses Status bediente man sich zuweilen der Metapher der Nahtstelle des Sports. Sehr unterschiedliche Sichtweisen, Erwartungen, Ansprüche richten sich aus dieser Organisationsvielfalt an das so angesiedelte BISp. Balancierungen werden notwendig und verlaufen nicht immer reibungslos und konfliktfrei.“
Doch wie fast überall, wo es um ziemlich viel Geld geht, tauchen nicht nur organisatorische Probleme auf. Offenbar haben sich beim BISp einige Sportwissenschaftler versucht zu bereichern. Das legt zumindest ein Bericht des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2007 nahe. Auf 63 Seiten kritisieren die Kontrolleure drastisch: Bis zu 75 Prozent der Fördermittel sprachen sich die Wissenschaftler, die in den Gremien des Bundesinstitutes über Projekte entschieden, angeblich selbst zu. Zudem mangele es an wissenschaftlichen Qualitätskriterien und Projekte würden ohne Ausschreibung vergeben. Die Selbstbedienungsmentalität vieler Gremienmitglieder sei im deutschen Wissenschaftssystem einzigartig gewesen, sagte eine Wissenschaftsrat-Mitarbeiterin auf Nachfrage. Der Bericht endet mit der Empfehlung, das Institut zu schließen.
Ende Mai 2010 stellte der Bundesrechnungshof ähnliche Probleme fest. Zwar fällt die Kritik längst nicht mehr so gravierend aus und auch die Verwendung der Steuergelder scheint effizienter geworden. Doch noch immer gab es laut Bundesrechungshof Personalüberschneidungen in den beiden über die Gelder entscheidenden Gremien, noch immer seien die Entscheidungen des Institutes intransparent.
Wegen dieser Intransparenz hat vor einem Jahr mit der Deutschen Sporthochschule Köln erstmals eine Uni gegen die Sportförderer geklagt. Umfangreiche Anträge seien mit knappen Zweizeilern abgelehnt worden. „Wenn sie über öffentliche Gelder verfügen – und das im Rahmen einer Ausschreibung – müssen die Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sein. Als wir in die Akten geschaut haben, konnten wir das nicht feststellen“, sagte damals Uni-Justitiar Michael Krannich. Heute will er sich nicht mehr äußern. Sporthochschule und Bundesinstitut streben eine außergerichtliche Einingung an.
Mit Vorwürfen aus der Wissenschaft kämpft das Institut – ganz unabhängig von Transparenz- und Kungelei-Problemen – seit längerem. Einerseits muss sich das BISp laut Gründungserlass auf den Leistungssport konzentrieren, andererseits fordern Wissenschaftler mehr Freiheit für die Forschung. Für den Deutschlandfunk habe ich vor einiger Zeit mit einer Reihe Sportwissenschaftler gesprochen, die die Rolle des Instituts ziemlich kritisch sehen. Zu Wort kommen Eike Emrich, Arne Güllich, Robert Prohl und Helmut Digel.
Man könnte, so ein Vorschlag, die Fördermittel statt über das Bundesinstitut über eine neue Sportabteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft verteilen lassen. Dem stehen wiederum Innenministerium und vor allem der Deutsche Olympische Sportbund entgegen. Sie wollen ihren Einfluss auf die Fördergelder nicht verlieren. 2011 gibt es trotz der Kritik erst einmal mehr Geld. Das Innenministerium erhöht den Etat von 5,5 auf 6,6 Millionen Euro.
Eine Schließung des Institutes, die zwischenzeitlich auch SPD-Haushaltspolitiker Klaus Hagemann angedroht hatte, ist vorerst vom Tisch. Beim Besuch von Innenminister Thomas de Maizière zum 40. Jahrestag schauten die Verantwortlichen auch deshalb optimistisch in die Zukunft. Das Institut habe die Probleme längst beseitigt, sagt Instituts-Direktor Jürgen Fischer. Ab Januar gebe es nur noch einen einzigen Beirat, daher keine Personalüberschneidungen. Wer in diesem Beirat sitzt, ist bislang aber noch nicht entschieden.
Derzeit steht eine erneute Überprüfung des Wissenschaftsrates aus. Die sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr veröffentlicht werden. Neuer Termin ist jetzt Mai 2011. Bis dahin ist genug Zeit für weitere Beiträge. Eigentlich sollte dieser hier schon viel ausführlicher werden. Aber wie das so ist … bald gibt es sicherlich Nachschub.
Linksammlung zum Bundesinstitut für Sportwissenschaft:
- FAZ, 8. Dezember 2010: Forscher auf den Barrikaden
- Deutschlandfunk, 9. November 2010: Trotz Kritik klingelt die Kasse
- Zeit-Online, 26. Oktober 2010: Das Pervitin-Wunder von Bern?
- Deutschlandfunk, 19. Juni 2010: Wird das Bundesinstitut für Sportwissenschaft geschlossen?
- Zeit-Online, 9. Juni 2010: Doping-Experte beendet Mitarbeit an Forschungsprojekt
- Zeit-Online, 8. Oktober 2009: Im Fokus von Justiz, Politik und Wissenschaft
- Deutschlandfunk, 4. Oktober 2009: Kritik am Bundesinstitut für Sportwissenschaft
- Zeit-Online, 5. September 2009: Bundesinstitut vergibt dubiosen Auftrag zur Dopingforschung
- Zeit-Online, 2. September 2009: Obersten Sportwissenschaftlern droht das Aus
- Deutschlandfunk, 29. August 2009: Steuerverschwendung und Vetternwirtschaft
- Zeit-Online, 11. März 2009: Alibi-Forschung statt Aufklärung
10. September 2011 -
[…] Um Doping geht es am 26. September auch in Berlin. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft stellt Zwischenergebnisse seines Forschungsprojektes “Doping in Deutschland” vor. Das ist wichtig, weil das Projekt 500.000 Euro Steuergeld kostet und stark kritisiert wurde. Bei der ersten Präsentation vor einem Jahr in Leipzig war ich dabei und habe für ZDFonline und Zeit-Online drüber geschrieben. Auch auf das BISp habe ich seit längerem ein Auge. […]