Gut sieben Wochen bin ich jetzt an der Columbia. Was mir jeder gesagt hat, wird mir erst langsam wirklich klar: Das drumherum ist mindestens genauso spannend, wie der Unterricht selbst.
Als Beispiel: die vergangene Woche. Am Dienstag war ich bei einem Treffen der „Investigative Reporters and Editors“, dem amerikanischen Netzwerk Recherche. Regelmäßig organisiert IRE Treffen in New York, am Dienstag (natürlich) auf einem Rooftop in der Nähe des Times Square. Ich habe mich in zwei Stunden mit sieben Leuten intensiver unterhalten – fünf davon waren Datenjournalisten. Hier ist Datenjournalismus tatsächlich ein entscheidender Teil der Zukunft. In weiten Teilen Deutschlands wird meiner Erfahrung nach immer noch mehr darüber geredet, als daran gearbeitet.
CJ Chivers von der New York Times
Am Mittwoch habe ich eine Diskussion mit einem der Kriegsreporter der New York Times besucht, mit CJ Chivers. Chivers arbeitet vor allem für das New York Times Blog „At War“. Da zwei Freunde von mir in der Vergangenheit mit Chivers gearbeitet haben, sind wir im Anschluss in kleiner Runde mit ihm und seiner Frau Essen gegangen. Ein sehr direkter, angenehmer Mensch.
Das Brown Institute for Media Innovation ist eines der spannendsten Projekte an der Columbia, dort versucht Direktor Mark Hansen – eigentlich Statistiker – neue Methoden des digitalen Storytellings zu finden. Am Donnerstag war ich auf einer Art Willkommensparty des Institutes, von dem ich ein kleines Stipendium erhalten habe.
Hacks/Hackers in New York
Am heutigen Montagabend werde ich nun zum ersten Mal die Hacks/Hackers-Gruppe in New York kennen lernen. In Downtown New York bekomme ich von ProPublica-Programmierern gezeigt, wie ich mein MacBook vernünftig verschlüssele.
Die Zeit für die Abende nehme ich mir bisher noch, aber das ist knapp. Das Studium selbst lässt nicht viel freie Zeit zu. Knapp 200 Seiten lesen pro Woche sind Pflicht für die verschiedenen Veranstaltungen. Die Anwesenheitspflicht ist strikt, zu 100 Prozent. Wer nicht kommt, muss vor dem Unterricht bei allen beteiligten Professoren und der Fakultät Bescheid geben sowie einen Krankenschein vorlegen, selbst wenn er nur eine einzige Vorlesung verpasst.
Viel Pflicht, wenig Zeit
Der Umfang der Pflicht-Veranstaltungen entspricht knapp 20 Semesterwochenstunden in Deutschland. Dazu kommen etwa zwei Hausaufgaben pro Woche, mindestens eine davon ist ein fertig recherchierter Artikel. Dazu gibt es All-Class-Lectures an der Uni. Und zwischendurch bekommt man Besuch im Seminar von Leuten wie Pulitzer-Preisträger James Stewart, der erklärt, wie er Ideen für Artikel und Bücher entwickelt. Da möchte man dann doch nicht unvorbereitet auftauchen (Buchempfehlung: Follow the Story).
Gestern habe ich einen Freund besucht, der an der Columbia einen fünfjährigen PhD macht, den amerikanischen Doktor. Das Gespräch sprang von englischen Historikern und Adam Smith über die wirtschaftlichen Fehler der DDR zum amerikanischen Bildungssystem, zur Finanzregulierung sowie zur deutschen Außenpolitik, streifte nebenher Seehofer und Steinbrück. Ich war einmal mehr beeindruckt, wie breit und gleichzeitig tief sein Wissen ist – und wie oberflächlich ich als Journalist doch oft bleibe. Das ist wohl das Wichtigste: Dass man erkennt, wie viel man nicht weiß.
Bei aller Begeisterung für das Programm: Irgendwie schade, dass diese breite Bildung an der Columbia Journalism School dann doch nur schwer möglich ist.