Daniel Drepper

Gesperrte Triathleten im Netz: Pro und Contra

[Update, 10.31 Uhr] In den Kommentaren bin ich auf einen Beitrag von Grit Hartmann aus dem Sommer 2010 hingewiesen im Deutschlandfunk hingewiesen worden. Der Beitrag nimmt Bezug auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamburg. Ich denke, auf dieses stützt sich auch die Deutsche Triathlon Union. Hartmann schreibt:

Vor allem aber betont das Urteil das öffentliche Interesse an Information. Schließlich sei die Dopingbekämpfung „ein zentrales Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz“. Dabei gehe es auch darum, „das Vertrauen auf Wettkämpfe ohne Dopingmanipulation wiederzugewinnen“. Und deshalb verstoße eine Online-Veröffentlichung nicht, so schön formulieren die Richter tatsächlich, „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“.

Damit ist mein vergangene Woche angestoßenes Pro & Contra-Denken zumindest zur Hälfte hinfällig. Ich lasse es trotzdem stehen, denn die DTU veröffentlicht gesperrte Athleten, die nicht wegen Dopings, sondern wegen Meldeverstößen auffällig wurden. [Update Ende]

Pro: Das Eintreiben der Startpässe gesperrter Athleten ist nicht immer einfach. Außerdem können Triathleten bei den meisten Veranstaltungen auch ohne Startpass starten. Häufig werden gegen einen Aufpreis Tageslizenzen gelöst. Das ist nicht zentral zu kontrollieren. Durch die Veröffentlichung können sich theoretisch alle Veranstalter unkompliziert informieren, welche Athleten nicht starten dürfen.

Die DTU hat sich mit einem Rechtsanwalt beraten. Es werden nur sachliche Fakten öffentlich gemacht. Der Grund der Sperre, sagt die DTU, wäre schon zu viel.

Eine Veröffentlichung während der Zeit der Sperre scheint rechtlich in Ordnung zu sein. Sportler können sich nach Meinung von Sportrechtler Michael Lehner kaum dagegen wehren. Das Interesse des Sports und die Information der Konkurrenz wiegt in derzeitiger Rechtssprechung offenbar schwerer als die Persönlichkeitsrechte, sagt auch Sportrechtlerin Anne-Jakob Milicia. Milicia war bis vor wenigen Monaten Justiziarin des DLV. Auch die NADA Österreich oder die IAAF veröffentlichen solche Listen.

Contra:
Bei einem Blick auf die Rubrik habe ich zunächst gedacht, die Athleten wären wegen Dopings gesperrt. Erst als ich die Sportler anrief erfuhr ich: Es sind Meldeverstöße. Ein minderjähriger Athlet beispielsweise hat sein Geburtsjahr verändert, um beim Triathlon am Schliersee zu starten. Das führt schnell zu Missverständnissen, die Sportler müssen sich rechtfertigen, zum Beispiel vor Leuten wie mir.

Wenn die Sperre abgelaufen ist, muss der Verband die Information aus dem Netz nehmen. Das Problem: Wenn die Seite im Cache von Suchmaschinen wie Google, quasi im Zwischenspeicher, weiter besteht und abgerufen werden kann, könnte es für den Verband teuer werden.

Denn: Während Pressemitteilungen über Dopingsünder ein klar gekennzeichnetes Datum haben, ist bei einer dauerhaft eingerichteten Seite ohne Datum nicht auf den ersten Blick klar, von wann die Seite ist. Oft werden in der Vorschau von Suchmaschinen Teil-Informationen angezeigt, obwohl die Seite vom Netz genommen ist. Das macht die Aktion der DTU rechtlich nicht unproblematisch.

Ex-DLV-Justiziarin Anne Jakob-Milicia erzählt, dass der DLV einen solchen „Cache-Prozess“ vor einigen Jahren verloren hat. Damals stritten die Anwälte nicht um Dopingvergehen, sondern um eine Personalangelegenheit. Der Name eines ehemaligen Angestellten und die Nummer seines Diensthandys waren noch auf Webseiten des DLV zu finden. Der Verband musste den Ex-Mitarbeiter mit 5000 Euro entschädigen. Der DLV die Seite mit gesperrten Athelten seitdem vom Netz genommen und veröffentlicht nur noch Pressemitteilungen.

Der Bund Deutscher Radfahrer hat bis vor einiger Zeit Meldungen zu Dopingfällen ins Netz gestellt. Nun werden Dopingsperren nur noch in der Zeitung „Radsport“ veröffentlicht, die bei allen Vereinen und Landesverbänden im Briefkasten landet. „Wenn aus dieser Amtlichen Bekanntmachung Artikel entstehen, die dann im Internet kursieren, ist dies nicht mehr im Verantwortungsbereich des Verbandes“, schreibt Generalsekretär Martin Wolf. Dies widerspricht dem oben von Grit Hartmann zitierten Gerichtsurteil. Weiter Infos zur Praxis des BDR in den Kommentaren. [Anmerkung: Ich hatte hier zunächst geschrieben, der BDR habe früher eine Liste mit gesperrten Sportlern veröffentlicht. Danke für die Korrektur in den Kommentaren]

Quellen: Zwei der betroffenen Athleten; DTU-Geschäftsführer Matthias Zöll; BDR-Generalsekretär Martin Wolf (per Mail); Cordula Rinne von der Anti-Doping-Koordinierungsstelle des DLV; Sportrechts-Anwalt Michael Lehner; Anne Jakob-Milicia, ehemals Justiziarin des DLV, heute freie Sportrechts-Anwältin

Hinweis: Ich habe die DTU um ein Gespräch mit dem beratenden Rechtsanwalt gebeten. Falls dies noch folgt, ergänze ich gern.

Über Diskussionen freue ich mich.

Kontakt: daniel.drepper (ät) gmail.com / +49 176 611 96 014

  1. 10. Januar 2012 -

    Ist denn die Veröffentlichung durch die Verbandssatzung geregelt?

  2. 10. Januar 2012 -

    „Auch der Bund Deutscher Radfahrer hat eine ähnliche Liste vor einiger Zeit depubliziert.“

    Das stimmt so nicht, würde ich sagen. Weder gab es beim BDR jemals eine vergleichbare Liste, noch wurde irgendetwas depubliziert.

    Früher gab es Meldungen wie diese:
    http://www.rad-net.de/modules.php?name=Bekanntmachungen&recid=302

    Die Veröffentlichung solcher digitalen Meldungen wurde aus Datenschutzgründen eingestellt. Eine der letzten dürfte die folgende gewesen sein:
    http://www.rad-net.de/modules.php?name=Bekanntmachungen&recid=1968

    Mehr Details z.B. hier (Beitrag vom 17.05.10):
    http://www.rad-net.de/modules.php?op=modload&name=Forums&file=viewtopic&topic=2908&forum=3&start=60

    DLF (06.06.10): Dopingsünder-Liste gehört ins Internet – NADA ignoriert Rechtslage

    • 10. Januar 2012 -

      @Ralf

      Dank Dir für die Hinweise, arbeite ich gleich oben ein!

  3. 10. Januar 2012 -

    Also, falls es sich wirklich „nur“ um Meldeverstöße handelt, wäre es nicht sinnvoller, wenn die DTU ein Intranet aufbauen würde mit Zugriffsrechten nur für bestimmte Funktionsträger?

  4. 10. Januar 2012 -

    Entweder Intranet, richtig, oder einfach eine Mailingliste. Hatte ich auch überlegt.

  5. 10. Januar 2012 -

    Das Deckmäntelchen des Datenschutzes ist sowohl Verbänden wie dem BDR als auch bspw. der NADA grade recht. Die NADA verweist ja gerne auf die Veröffentlichungspflicht der zuständigen Fachverbände – anstatt selbst zentral zu publizieren. Bei den Verbänden verstehe ich noch halbwegs das Eigeninteresse, das Thema Doping so klein wie möglich zu halten – bei der NADA nicht. Wohl noch nicht unabhängig genug.

  6. 10. Januar 2012 -

    Das Beispiel des minderjährigen Sportlers gibt mir zu denken. Prinzipiell fand ich es nicht schlecht, dass gesperrte Athleten offen ausgewiesen werden – weil auch ich davon ausging, dass es sich dabei um Dopingfälle handelt. Aber wenn auch Leute, die sich ein Jahr älter machen, dort drin stehen, ist das schon heftig. Ich will nicht behaupten, dass es im Triathlon genauso läuft – aber bei den Volksläufen in meiner Region verändern zum Teil nicht die Sportler selbst, sondern die Veranstalter das Alter der Kinder, damit die starten dürfen. So geschehen zum Beispiel mir selbst, als ich vor einigen Jahren einen Zehn-Kilometer-Crosslauf gelaufen bin und dafür eigentlich noch zu jung war. Der Veranstalter hätte meine Anmeldung ablehnen müssen, hat mich aber einfach – ohne mich zu fragen – zwei Jahre älter gemacht. Gesehen habe ich das erst in der Ergebnisliste. Unter diesen Umständen sollte man die Liste doch noch einmal überdenken.

  7. 10. Januar 2012 -

    Tatsächlich muss die aktuelle Praxis der DTU Sperren auf Basis relativ harmloser (Melde-) Vergehen optimiert werden. Dieser Prozess muss innerhalb der in Überarbeitung befindlichen Satzungen und Ordnungen erfolgen.

    Entscheidender ist die praktische Umsetzbarkeit der Sperren bei den Veranstaltungen und eine bessere Abgrenzung zur Liste der Dopingvergehen und daraus ergolgter Sperren.

    Aktuell kann, wie von Daniel irrtümlich selbst angenommen, ein Athlet, der einen Startplatz von einem Freund ohne Ummeldung übernommen hat (Ausschluss der Ummeldemöglichkeit in den AGB der Veranstalter um den Handel von Startplätzen auf dem Graumarkt zu verhindern; Stornogebühr, Versicherungsschutz, Altersklassenwertung) schnell in die falsche Schublade gesteckt werden.

    Doch selbst nach Einführung des „neuen“ Startpass‘ der DTU sorgt die extrem heterogene Meldeinfrastruktur (Hardware wie Startpassscanner und Zeitnehmer, Software, Vernetzung, analog-manuelle Verfahren) mit zahlreichen Inkompatibilitäten dauerhaft für zahlreiche Probleme, jenseits gesperrter Athleten (Serien- und Cupwertungen, Rankings, Ummeldungen, Stornierungen, etc.).

    Ein einhaltlicher Standard muss sich etablieren, eingehalten werden und die zahlreichen kleinen und mittleren Diensteanbieter diese Schnittstellenstandards gemäß Best Practice anwenden. Dann ist das Führen von Sperrlisten, Datenabgleich, uvm. sowohl rechtlich und technisch eine kleine Fingerübung.

  8. 11. Januar 2012 -

    Grundsätzlich wird doch keiner des Dopings beschuldigt in dieser Liste. Von daher halte ich es im Zusammenhang mit einem Dopingverdacht für unbedenklich, wenn die Namen veröffentlicht werden. Ob das Internet dafür der richtige Ort ist, kann ich nicht beurteilen.
    Allerdings sollte man wissen, dass der Fall Stefan Schreiber schon hohe Wellen im Netz geschlagen hat. Er hat wohl -trotz ausgesprochener Sperre- weiter an Wettkämpfen teilgenommen. Vielleicht ist von daher Druck auf die DTU aufgebaut worden, so dass sie sich zu der Veröffentlichung gedrängt sahen. Dazu kann man sich in folgenden Artikeln und dem langen Thread bei Triathlonszene informieren.
    „Was gibt es neues im Dopingfall Steffen Schreiber“
    http://www.triathlon-szene.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1012&Itemid=20
    „Steffen Schreiber startet trotz Dopingsperre“
    http://www.triathlon-szene.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1016&Itemid=20
    und in dem Thread im Triathlon-Szene Forum:
    http://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=18601

  9. 12. Januar 2012 -

    Also grundsätzlich finde ich die Vorgehensweise sehr hart, da ich selber von dieser Sache betroffen bin und genau diese Vorwürfe über mich ergehen lassen musste. Nichts desto trotz sollte man schon überlegen, ob man das so beibehält, denn der Athlet wird innerlich ziemlich hart getroffen, aber sagen wir mal so…“man lernt nie aus“

  10. 12. Januar 2012 -

    Ich denke auch – grad nach dem OLG Hamburg-Urteil: NADA Dopingfälle veröffentlichen, die Meldeverstöße über eine vernünftige Software/Intranet verbreiten.

  11. 16. Januar 2012 -

    @Marcus: Schön, von einem betroffenen Athleten zu lesen. Leider etwas spät freigeschaltet, dein Kommentar, hatte ich übersehen. Glaube ich, dass das hart ist. Besonders, weil es eben kein Dopingvergehen ist, sondern nur ein technischer Regelverstoß.

  12. 17. Januar 2012 -

    @Marcus: Hat Dich der Verband vorher benachrichtigt, dass eine Veröffentlichung ansteht? Wurde mit Dir gesprochen? Hast Du mal versucht, darauf hinzuwirken, dass klargestellt wird, dass es sich nicht um Dopingvergehen handelt?

  13. 18. Januar 2012 -

    […] Darf man gesperrte Sportler veröffentlichen? Daniel Drepper sorgt mit seinem Pro und Contra zum Onlinepranger der Deutschen Triathlon Union für Diskussionen. […]