Daniel Drepper

Heute in Berlin: Erfurter Blutbestrahlung mit Steuergeld


Der Sportrechtler Georg Engelbrecht und der Pharmakologe Fritz Sörgel erklären dem Sportausschuss des Bundestages am heutigen Mittwoch die Gründe, warum die Blutbestrahlung in der oben abgebildeten Praxis von Andreas Franke verboten war. Der Bund hat für das Doping wohl eine fünfstellige Summe gezahlt.

Die in Erfurt über viele Jahre praktizierte Methode ist laut Georg Engelbrecht ein Dopingverstoß, falls die Sportler ohne medizinische Indikation behandelt wurden. „Egal ob per Injektion oder Infusion und egal mit welchen Blutmengen“, schreibt Engelbrecht an den Sportausschuss. Engelbrecht ist auch Richter am Weltsportgericht CAS. Das hatte schon 2003 entschieden, dass die UV-Bestrahlung von Eigenblut verboten ist.

Fritz Sörgel bezeichnet die Bestrahlung als klares Dopingvergehen von Sportlern und Arzt, spätestens seit dem CAS-Urteil im Jahr 2003. „Die Sportler hätten die Behandlung auf den Meldebögen der Nationalen-Anti-Doping-Agentur angeben und eine Ausnahmegenehmigung beantragen müssen“, sagte Sörgel gestern Abend auf meine Nachfrage. Auch der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur David Howman hatte die Erfurter Blutbestrahlungen schon Anfang Februar in der Süddeutschen Zeitung als Doping bezeichnet.

Das Bundesinnenministerium glaubt dagegen weiterhin, Doping erscheine „zumindest nicht zweifelsfrei“. Dies sei „abschließend durch die WADA, die sich eine Stellungnahme vorbehalten hat, die NADA, die hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, oder die Schiedsgerichte zu klären“, so das Ministerium per Mail auf meine Nachfrage.

Wie viel kostete das Steuerzahler?
Im Berliner Sportausschuss soll nun geklärt werden, wer wann vom staatlich finanzierten Doping wusste und warum niemand diese Praktiken verhindert hat. Andreas Franke war seit 1992 Vertragsarzt des Olympiastützpunktes Erfurt. Stützpunktleiter Bernd Neudert schreibt dem Sportausschuss, Franke habe das Blut verschiedenster Sportler „seit vielen Jahren mit Kenntnis des OSP Thüringen“ bestrahlt. Wie viel kostete das den Steuerzahler?

Franke hat von 2005 bis 2008 etwa 7000 Euro für die Blutbehandlungen erhalten. Eine Bestrahlung kostete knapp 40 Euro. Im November 2008 kennzeichnete Franke die Behandlung nicht mehr in den Abrechnungen, bestrahlte aber offenbar weiter – bis zur Durchsuchung der Staatsanwaltschaft am 11. April 2011. Der Steuerzahler dürfte das Erfurter Doping mit einem fünfstelligen Betrag subventioniert haben.

Nach Informationen des Deutschlandfunks hat Franke in Erfurt ab 2005 das Blut von 14 Radsportlern, je fünf Leichtathleten und Eisschnellläufern, zwei Handballern und einem Ringer bestrahlt. Ob und falls ja wie häufig Franke davor, also von 1992 bis 2005, Blut bestrahlt hat und wie teuer das war, hat bislang niemand beantwortet.

Das Bundesinnenministerium verweist auf Nachfrage gestern an den Olympiastützpunkt und Andreas Franke selbst. Franke äußert sich derzeit nicht und auch Stützpunktleiter Neudert reagierte gestern nicht auf meine Anfrage. Sollte Franke schon vor 2005 das Blut von Sportlern bezahlt und dies über den Olympiastützpunkt abgerechnet haben, könnten die Kosten für den Steuerzahler nach meiner Schätzung auch auf etwa 30000 Euro steigen.

Ermittlungen verzögern sich
Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Erfurt untersucht nur die Fälle von 2007 bis 2011, alles davor ist verjährt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die eigentlich im März zum Abschluss kommen sollten, verzögern sich. Ein genaues Datum wollte Staatsanwalt Hannes Grünseisen auf Anfrage gestern nicht nennen. „Aber es sind eher vier Wochen als vier Monate.“

Wie sich der Olympiastützpunkt Thüringen in dieser Affäre verhalten hat, ist meiner Meinung nach so oder so sehr fragwürdig. Bereits 2007 hatte die NADA mitgeteilt, dass sie sich „in der Vergangenheit strikt gegen eine Eigenblutbehandlung eingesetzt“ habe. Statt die ganz offenbar fragwürdigen Behandlungen zu beenden, bezahlte Stützpunktleiter Neudert seinen Vertragsarzt weiter dafür, Blut zu bestrahlen.

Schnelles Extrageld für die NADA?
SPD und Grüne fordern im Sportausschuss eine umfassende Prüfung. Außerdem soll die finanziell kriselnde NADA schnelle Sonderzahlungen bekommen, damit sie gegen die dopingverdächtigen Sportler Prozesse führen kann. Die Grünen wollen zudem den Bundesrechnungshof einschalten und einen Straftatbestand Sportbetrug einführen, „um zukünftig auch wirksam gegen Sportlerinnen und Sportler ermitteln zu können“.

CDU-Sportsprecher Klaus Riegert bezeichnet die Anträge der Opposition auf Anfrage als Scheinanträge und Schaufensterpolitik. „Gleichzeitig sind die gestellten Forderungspunkte mit einer nicht hinzunehmenden Vorverurteilung der Athleten und beteiligten Akteure verbunden“, schreibt Riegert weiter. Zudem werde die Finanzierung der NADA „zu Unrecht mit den Vorkommnissen am OSP in Erfurt in einen kausalen Zusammenhang gestellt.“ Rückforderung von Steuergeld könnten „erst nach Klärung des Sachstandes erwogen werden.“

Die Stellungnahmen von Innenministerium, Olympiastützpunkt, Sportrechtler Engelbrecht und Pharmakologe Sörgel liegen mir vor. Bereits seit gestern beziehungsweise vorgestern im Netz hat sie Jens Weinreich. Weinreich hat gemeinsam mit Grit Hartmann auch schon einige kluge Sätze zur aktuellen Lage geschrieben. Die Texte und Dokumente finden sich hier und hier.

Was geschieht heute im Sportausschuss?
Ich möchte noch die politischen Anträge und Stellungnahmen nachreichen. SPD und Grüne haben jeweils eigene Anträge geschrieben. Die Grünen werden dem Antrag der SPD aber wohl zustimmen. Der SPD-Antrag wird erstmal nur anberaten, geht an andere beteiligte Ausschüsse und kommt dann wohl noch einmal in den Sportausschuss zurück. Unten findet sich auch die Stellungnahme von Klaus Riegert, die er mir gestern auf meine Fragen hin hat zukommen lassen.

Ich werde heute Abend hier berichten, was aus Anträgen und Stellungnahmen geworden ist. Ich bin nicht in Berlin, weil der Sportausschuss weiterhin nicht-öffentlich tagt, werde aber ein wenig rumtelefonieren.

Dieser Text ist heute in etwas kürzerer Form in der Westdeutschen Allgemeneinen Zeitung und in der Thüringer Allgemeinen erschienen.

Beide Fotos hat mein befreundeter Kollege Jonathan Sachse bei seinem Besuch in Erfurt vor knapp sechs Wochen geschossen. Damals hat er den betroffenen Radprofi Marcel Kittel interviewt.

OSP Thüringen Antrag GRÜNE

OSP Thüringen Antrag SPD

OSP Thüringen Antwort CDU Klaus Riegert

  1. 22. März 2012 -

    […] der Erfurter Arzt Andreas Franke bei insgesamt 30 Athleten das Blut mit UV-Strahlen behandelt. Dafür waren mindestens 10000 Euro Steuergeld geflossen. Obwohl die NADA im Jahr 2007 auf eine Anfrage des Olympiastützpunktes Bedenken angemeldet hatte, […]