Informationsblockierer des Jahres, die FIFA. Dazu ein gegen Theo Zwanziger wütender Uli Hoeneß, viele gute Gespräche und einige Diskussionen, zum Beispiel über Doping-Recherchen. Zwei Tage Netzwerk Recherche sind rum. Für alle, die es nicht nach Hamburg zur Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche geschaft haben, gibt es viel nachzulesen. Journalistenschüler und Volontäre haben die Veranstaltungen in einem Blog für das Netzwerk zusammengefasst.
Warum die FIFA die verschlossene Auster als Informationsblockierer des Jahres verdient hat, dürften regelmäßige Leser wissen. Zuletzt hatte ich mit Jean-Francois Tanda über die Intransparenz der FIFA gesprochen. Bei Jens Weinreich finden sich die unendlichen Geschichten der FIFA in zahlreichen Blogbeiträgen und voller Pracht. Die Rede des Schweizer Nationalrats Roland Rino Büchel dokumentiert das Netzwerk Recherche. Zitate von der anschließenden Diskussion habe ich live getwittert, Stefan Kesselhut hat die Tweets in einem Storify-Stück zusammengefasst.
Zur Doping-Veranstaltung darf ich mit Genehmigung von Johannes Knuth seinen Text aus dem Netzwerk-Recherche-Blog veröffentlichen. Knuth ist Journalistenschüler an der DJS und interessiert sich auch für Sport. Bei Twitter: @johannes_knuth. Voilà:
Ausdauernd im Doping-Sumpf
Sie verfolgen Betrüger, finden kaum Informanten und werden von Klagen überzogen – Sportjournalisten, die über Doping berichten, haben es schwerer als andere Investigativ-Reporter. Fünf Doping-Experten diskutierten am 2. Juni, wie man bei der Recherche vorankommt.
Die Sportwelt ist längst im Internet vernetzt, Neuigkeiten verbreiten sich schnell und Reaktionen lassen auch nicht lange auf sich warten. Mitte Mai veröffentlichten die ARD-Dopingexperten Robert Kempe und Hajo Seppelt einen brisanten Beitrag: Seppelt gab sich als Athletenvertreter aus und spürte einen kenianischen Arzt in der Kleinstadt Kapsabet auf. Der Mediziner behauptete, er habe viele kenianische Leichtathletik-Stars mit Dopingpräparaten versorgt. Die Fanpost aus Kenia kam prompt: In Internetforen beschimpften Nutzer die deutschen Journalisten als Nazis und Rassisten, der kenianische Sportminister beschwerte sich bei der Bundeskanzlerin. Wenn Seppelt heute darüber spricht, zuckt er nur kurz mit den Schultern, dann sagt er mit ruhiger Stimme: “Man kann nicht nur die eine Seite der Medaille zeigen, auch die Struktur dahinter muss gezeigt werden.”
Wer als Sportjournalist über Doping recherchiert, hat es schwer. Das wurde schnell deutlich, als fünf Dopingexperten am 2. Juni über ihre Recherchen im Doping-Milieu berichteten: Christian Ewers (stern), Ralf Paniczek (ZDF), Ralf Meutgens (freier Journalist), Daniel Drepper (Moderator) und eben Hajo Seppelt. Es ging um Betrug, Interessen, Widerstände und am Ende vor allem um ein Thema: Wie fischt ein Sportjournalist brauchbare Themen aus dem Doping-Sumpf?
Rauspicken und schlachten
Als Antwort fiel vor allem ein Wort: Ausdauer. Die ist deshalb so wichtig, weil jeder Doping-Rechercheur früher oder später auf erbitterten Widerstand stößt. “Keiner hat ein Interesse, uns etwas zu stecken”, sagte ZDF-Mann Ralf Paniczek. Wenn ein Sportler erfolgreich ist, seien nun einmal alle zufrieden, so Paniczek. Oder umgekehrt: Positive Proben schaden allen: Die Anti-Doping-Verbände seien vom Geld der Politik abhängig, und das fließe nur, wenn der Sport seinen sauberen Schein wahrt. Ansonsten steige – wie im Fall der Tour de France – wohlmöglich das Fernsehen aus, Sponsoren springen ab und die Verbände, Sportler, Trainer und selbst die Journalisten sitzen auf dem Trockenen. Zudem habe das Athleten-Umfeld aus den Doping-Skandalen im Radsport gelernt, hat Hajo Seppelt beobachtet. Sportler beschäftigen Juristen, die sich die vermeintlichen Nervensägen aus den Doping-Redaktionen rauspicken und mit Klagen überziehen. Zum Beispiel im Fall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein. “Es sind immer die Überbringer der schlechten Nachricht, die geschlachtet werden, nicht die Verursacher”, klagt Seppelt.
Hinzu kommen die Widerstände in den Redaktionen: Beim Doping sei eine “gewisse Ermüdung da”, sagte Christian Ewers vom stern. Und dann ist da noch das Problem mit der Quote im Fernsehen. Wobei Seppelt kontert: “Es gibt beim Doping keinen Abschalteffekt.” Sportberichterstattung müsse nicht immer unterhalten, sondern Substanz haben. “Dann wird sie auch konsumiert”, glaubt Seppelt.
“Ad hoc geht es nicht”
Bis ein Thema servierfertig ist, braucht man allerdings – ja: Ausdauer. “Ad hoc geht es nicht. Man muss sich reingraben”, sagt Ralf Paniczek. Der Journalist, so Paniczek, müsse ständig mit seinen Quellen im Gespräch sein, Hinweisen nachgehen, Fäden aufgreifen und auch mal wieder ruhen lassen. Wer einen Dopingfall aufdeckt, wird die Karriere eines Sportlers massiv beschädigen oder gar zerstören. Bis eine Doping-Recherche juristisch wasserfest ist, können Monate und Jahre vergehen.
Gerichtsprozesse verfolgen
Weitere, konkrete Tipps für die Recherche gaben die Experten nur wenige. Ralf Meutgens hat jahrelang im Radsport recherchiert und festgestellt: “Viele Athleten haben Drogenprobleme, Suchtprobleme, die sind froh, dass sie mit jemandem reden können.” Was er hörte, behielt er für sich. Das schuf Vertrauen – und bescherte ihm später Informationen. Christian Ewers riet, Gerichtsprozesse aufmerksam zu verfolgen: “Da liegen so viele lose Enden, die nicht weiter verfolgt werden.” Und Hajo Seppelt forderte, den Unterhaltungswert des Sports zu beschneiden: “Wir müssen nicht per se unterhalten. Wir müssen auch mal Knäckebrot servieren.”
Knuths Kollegen Laura Hertreiter und Tim Wessling haben Hajo Seppelt nach der Diskussionrunde noch interviewt.
Das Foto ist unter CC-BY-SA-Lizenz von Raphael Huenerfauth.