„Unglaublich! Todkrank und jetzt Europameister“ – Manfred Steffnys Text über den Schweizer Profiläufer Viktor Röthlin trägt den Verdacht schon im Titel. Steffny fragte 2010 in seinem Laufmagzin Spiridon: „War es das größte Comeback seit Lazarus?“ und vergleicht Röthlin mit Armstrong und Ullrich. Röthlin erwirkte damals eine Gegendarstellung und klagte auf Schmerzensgeld.
Röthlins Anwalt ist Simon Bergmann, der durch Claudia Pechstein bekannt wurde. Steffny wiederum lässt sich von dem Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner vertreten. Die Klage von Röthlin und Bergmann hat das Landgericht Berlin im Sommer in großen Teilen abgewiesen. Einige Unterlassungs- und Richtigstellungsansprüche musste Steffny anerkennen, er musste jedoch keine Entschädigung zahlen.
Röthlin ist jetzt in Berufung gegangen. Die mündliche Verhandlung vor dem Kammergericht ist für den 5. März angesetzt, Aktenzeichen 10 U 127/11. Ich werde wohl vor Ort sein. Bisher gibt es in diesem Bereich kaum Urteile. Auch den beteiligten Anwälten Bergmann und Lehner fielen auf meine Nachfrage keine passenden Vergleichsentscheidungen ein. „Ein Urteil eignet sich sicherlich auch zur Veröffentlichung in juristischen Fachzeitschriften“, sagte mir Simon Bergmann.
Zum strittigen Text: Manfred Steffny beschreibt die Vorgeschichte von Viktor Röthlins Sieg bei der Marathon-Europameisterschaft in Barcelona 2010. Er schreibt über Röthlins Lungenembolie zu Beginn des Jahres 2009, den daraus entstandenen Trainingsausfall, Röthlins Unterdistanz-Leistungen und das seiner Ansicht nach überraschend aggressive und starke Rennen von Röthlin bei der Marathon-EM in Barcelona. Den Text schließt Steffny mit den Sätzen: „Es gewinnt anscheinend immer öfter der Läufer oder Radfahrer mit dem besten Arzt. Für den Sport ist dies allerdings nicht am besten.“ (pdf der Seite bei berglaufpur.de)
Viktor Röthlin erwirkte damals eine einstweilige Verfügung und eine Gegendarstellung, die Steffny auch abdruckte. Steffny begründete das damals damit, dass ihm für einen Prozess die Mittel fehlen würden. Die Neue Zürcher Zeitung hatte pro Röthlin berichtet. Steffny unterzeichnete jedoch keine Abschlusserklärung und weigerte sich auch, Röthlin eine Entschädigung von 15.000 Euro zu zahlen, welche dieser im November 2010 gefordert hatte.
Röthlin klagte daraufhin auf eine erneute umfassende Richtigstellung und die 15.000 Euro.
Das Landgericht urteilte in erster Instanz: Steffny muss nur wenige Punkte richtig stellen, eine Entschädigung muss er nicht zahlen.
Die meisten von Röthlin beklagten Punkte hat das Landgericht abgewiesen (27 O 195/11). Für alle an Dopingtexten interessierten Leser und Schreiber macht die Lektüre Sinn: Das 34-Seiten-Urteil des Landgerichtes Berlin als pdf.
Spannend wird es auf den Seiten 26 und 27. Hier geht es um die „verdeckte Aussage einer offenenen Behauptung“, ergo um den Unterton des Textes. Dass Leser eigene Schlüsse ziehen, könne niemand verhindern, schreibt das Gericht. Wichtig nur: Es dürfen „keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten“. Eine bewusst unvollständige Berichterstattung sei wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln.
Im konkreten Fall lasse der Artikel laut Landgericht Berlin die Schlussfolgerung, ob Röthlin gedopt hat, aber offen. „Aus dem Artikel wird zwar deutlich, dass es aus Sicht des Autors starke Indizien dafür gibt, dass der Sieg des Klägers mit unlauteren Mitteln zustande gekommen ist. Dem Leser bleibt es aber überlassen, aus den mitgeteilten Tatsachen seine eigenen Schlüsse zu ziehen. […] Soweit der Eindruck vermittelt wird, der Autor habe den Verdacht, dass der Kläger gedopt hat, ist dies zulässig.“
Manfred Steffny, mittlerweile 70 Jahre alt, sieht das Urteil als Erfolg für alle Sportjournalisten. „Viele trauen sich aus Angst vor Anwälten mittlerweile ja nur noch von merkwürdigen Leistungen zu schreiben. Da ist es doch gut, wenn man gesagt bekommt, dass man das Umfeld ausleuchten darf und bei plötzlichen Verbesserungen auch mal auf mögliche Manipulationen hinweisen kann.“
„Das Urteil ist sehr bemerkenswert“, sagt auch Steffnys Anwalt Michael Lehner. Laut Lehner gab es in den vergangenen Jahren recht wenige Unterlassungsverfahren zur Dopingberichterstattung: Wer will als Sportler schon eine monatelange Diskussion anheizen? Das „sehr gut begründete und fachkundige“ Berliner Urteil habe nun sehr eindrücklich beschrieben, was man alles sagen darf, so Lehner. „Weil der Spitzensport dopingverseucht ist, müssen sich die Sportler Fragen nach Doping gefallen lassen.“
Das Gericht verteidigt in seinem Urteil die Verdachtsberichterstattung beim Thema Doping sehr deutlich. Die interessanteste Passage:
„Es bestehen genügend Anknüpfungspunkte für die Erörterung dieses Verdachts [des Doping, DD]: Der Kläger wurde wegen einer Krankheit behandelt, die auch im Zusammenhang mit der Einnahme von EPO auftritt, und erzielte trotz längerem krankheitsbedingtem Ausfall deutliche Leistungssteigerungen. Der Verfasser des Artikels setzt sich intensiv mit den von dem Kläger erzielten Zeiten auseinander und legt dar, dass ihm diese Leistungssteigerungen allein aufgrund von speziellen Trainingsmaßnahmen nicht plausibel erscheinen. Er erörtert damit ein gesellschaftliche höchst relevantes Thema, nämlich den Missbrauch von Dopingmitteln durch Spitzensportler. Es ist gerade kennzeichnend für das Thema Doping, dass den Sportlern der tatsächliche Einsatz solcher Mittel nur sehr schwer nachzuweisen ist. Es wäre ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Meinungsfreiheit, wenn jemand seine Meinung, eine bestimmte Leistung könne nur durch Einnahme leistungssteigernder Mittel erzielt worden sein, erst dann äußern dürfte, wenn die Einnahme von Dopingmitteln feststeht. Die öffentliche Diskussion entsprechender Verdachtsmomente müssen Spitzensportler daher hinnehmen, sofern dabei nicht falsche Tatsachen behauptet werden oder der Verdacht als feststehend dargestellt wird. […] Zum Schluss fragt der Verfasser: „War es das größte Comeback seit Lazarus?“ Diese Frage muss auch der Leser beantworten. Der von dem Autor hergestellte Zusammenhang zwischen den vermeintlichen Dopingsündern Jan Ullrich und Lance Armstrong lässt erkennen, wie der Autor die Frage beantworten würde. Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kann ihm das aber auch nicht verwehrt werden.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, denn Röthlin und Bergmann sind in Berufung gegangen. Simon Bergmann begründet das auf meine Nachfrage damit, dass der Text zu viele falsche Tatsachenbehauptungen enthalte.
Der Knackpunkt: Was in Steffnys Text ist Meinung, was Tatsachenbehauptung? Und was von den Tatsachenbehauptungen ist falsch?
Meinungsäußerungen sind im Medienrecht weitestmöglich geschützt. „Um der Sicherung eines freien Meinungsbildungsprozesses willen sind auch „falsche“, „wertlose“ und „unbegründete“ Meinungen geschützt“, schreibt Udo Branahl, bei dem ich an der TU Dortmund gelernt habe, in seinem Buch Medienrecht. Bei Tatsachen ist es kniffliger. Das Recht auf freie Meinungsäußerung berechtigt nicht dazu, Unwahrheiten zu verbreiten. Branahl schreibt: „Kennzeichnend für Tatsachenbehauptungen ist, dass sie objektiv überprüfbar sind.“
Wie immer gibt es nicht nur schwarz und weiß, sondern auch grau. Im Einzelfall entscheidet das Gericht.
Bergmann schrieb mir heute in Antwort auf eine abschließende Nachfrage von mir noch einmal ausführlicher:
„Damit die Presse zulässigerweise einen Dopingverdacht äußern kann, bedarf es unter anderem ausreichender Indizien, die Gerichte sprechen von ‚Anknüpfungstatsachen’. Die im ‚Spiridon’ vorgebrachten Indizien sind aber fast ausnahmslos wahrheitswidrig. Wenn ich alle unwahren Tatsachen rausstreiche, bleiben im ganzen Text nur noch zwei Punkte stehen: Er hatte am Anfang des Jahres eine Lungenembolie und gewinnt ein halbes Jahr später in Barcelona. Will man diese ’Anknüpfungstatsachen’ als ausreichend erachten, um einen derart schwerwiegenden Vorwurf wie Doping erheben zu können, müsste sich wohl jeder erfolgreiche Sportler im Laufe seiner Karriere einem Dopingvorwurf aussetzten lassen müssen. Dem Denunziantentum wären Tür und Tor geöffnet. Dies kann nicht richtig sein.“
Als ich begonnen hatte, mich mit dem Thema zu beschäftigen, habe ich mich über das erstinstanzliche Urteil gefreut und für eine möglichst weitreichende Verdachtsberichterstattung argumentiert. Dann habe ich lange mit Simon Bergmann telefoniert. Ich bin immer noch für eine Verdachtsberichterstattung. Aber ich sehe auch, warum Röthlin den Text von Steffny angreift. Einige Punkte sind tatsächlich sehr unsauber recherchiert. Das schlimmste: Steffny hat Viktor Röthlin vor der Veröffentlichung nicht mit den Vorwürfen konfrontiert.
Steffnys Anwalt Michael Lehner sagt, er sehe als häufig auch von Athleten beauftragter Anwalt natürlich auch die Positionen der Gegenseite. „Steffny ist im erstinstanzlichen Urteil jedoch schon so weit gestutzt worden, wie es das Recht hergibt.“
Ich bin gespannt auf das Verfahren in Berlin. Und ich hoffe, dass ein Urteil über einen Text mit inhaltichen Mängeln nicht die Richtung vorgibt für weitere Dopingtexte. Mehr dazu dann wieder hier im Blog.
Übrigens: Viktor Röthlin hat vor dem Landgericht Berlin eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, nicht gedopt zu haben. Dies könnte interessant werden, sollte Röthlin nachträglich des Dopings überführt werden. Marion Jones oder Jan Ullrich stolperten zuletzt über falsche Versicherungen an Eides statt.
Zur Dopingberichterstattung empfehle ich ganz grundsätzlich Jens Weinreichs Checkliste.
[Hinweis] Ich hatte in Einleitung und den ersten Absätzen zunächst stehen, die Klage Röthlins sei abgewiesen worden. Simon Bergmann wies mich darauf hin, dass dies nicht richtig ist. Ich habe umformuliert: In großen Teilen hat das Gericht pro Steffny entschieden, einige Punkte musste er aber dennoch richtig stellen.
Foto im Titel: erik.nl unter CC-Lizenz
Kontakt: daniel.drepper (ät) gmail.com // 0176 611 96 014
5. Januar 2012 -
Spannender Fall, werde ich verfolgen. Beim Link zur Checkliste ist dir nen C&P Fehler unterlaufen, check den mal.
5. Januar 2012 -
Besten Dank für die Info, ist korrigiert!
5. Januar 2012 -
Unten würde man zutreffender formulieren: „In großen Teilen hat das Gericht die Klage abgewiesen, nur einige Punkte musste Steffny richtig stellen.“
(Es ist schade, dass diese Punkte nicht wasserdicht recherchiert waren.)
Denn: Im Grundsatz, in ihren wesentlichen Forderungen, wurde die Klage abgewiesen. Gut für Journalisten. Schlecht für Medienanwälte bzw. das Geschäft einiger aus dieser Spezies, das darin besteht, derlei „Denunziantentum“ zu entdecken, auch, wo es nicht existiert (was diese Kanzlei für den Sport von einigen Gerichten erklärt bekommen hat) bzw. Meinungsfreiheit einzuschränken, wo es nur möglich ist. Hört nur RA Bergmann nicht so gern. Aber der kennt halt eher Sportler mit „Anknüpfungstatsachen“ …
Hochinteressante Lektüre. Danke, Daniel.
5. Januar 2012 -
@ha: Gerne, Dank Dir für den Kommentar. Ich finde es auch sehr schade, dass der Text einige dürftige Stellen hat. Die Diskussionen hätte sich Manfred Steffny mit einer gründlicheren Recherche ersparen können.
6. Januar 2012 -
Ich finde es schon lange überfällig, dass der Umgang mit dem leidlichen Problem durch den investigativen Sportjournalismus mal richtig unter die Lupe genommen wird.
Wer, wenn nicht die mit der Berichterstattung über Dopingfalle befassten Journalisten beinflussen mehr die Bildung der öffentlichen Meinung zum Sport im Allgemeinen und zum Hochleistungssport im Besonderen. Bisher waren es eher nur Gepänkel, auf das unter Verdacht geratene Sportler sich bei der Abwehr der oft ohne ausreichende Beweise vorgetragenen Mutmassungen mit der Vierten Gewalt einließen. Auf Unterlassungensklagen folgten entsprechende Erklärungen. Das war´s dann auch. Die Causa Steffny wird sicher neue Perspektiven für den Umgang mit a priori vermuteten Dopingfällen zur Folge haben. Für welche Seite vorteilhaft muss sich noch zeigen.
Womit der Bundespräsident mit grober Klinge dankenswerterweise gescheitert ist, könnte mit feinem Florett zu mehr journalistischer Kultur und sachlicher Akkuratesse im Umgang mit potentiellen Dopingsündern führen. Da kann man nur auf das Pärchen Bergamnn und Lehner hoffen. Wer, wenn nicht diese beiden, wissen, worum und vor allem wie es geht.
Bislang schienen die juristischen Berater aufgrund fehlender Rechtserfahrung stets zurückhaltend, wenn es um die Bestärkung ihrer
Mandanten bei der Wahrung der Persönlichkeitsrechte ggü. der öffentlich geäußeren journalistischen Vermutung ging. Dass da regelmäßig über das Ziel hinausgeschossen wurde, nahm die sportliche Seite leider zu oft in Kauf. Mir ist lediglich der Fall Pechstein in Erinnerung, wo sich die Verdächtigte vehehement und partiell erfolgreich wehrte. Jan Ullrich, dessen Fall hier journalistisch vergleichend, jedoch falsch eingearbeitet wurde, schwieg bislang und ließ sich, aus den Begleitumständen seines Falles jedoch nachvollziehbar, fast „das Fell über die Ohren ziehen“. So musste er damit leben, dass er nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch öffentliche demontiert wurde. Wir wurden Zeugen einer spektakulären journalistischen „Glanzleistung“.
Ohne vorgreifen zu können, wäre mein Wunschergebis für diesen Fall: Der journalistischen Seite mehr Angemessenheit in der Betrachtung und Zurückhaltung in der Wertung zu auferlegen. Damit würde dem Lauf der Gerechtigkeit und dem Antidopingkampfkeineswegs geschadet.
6. Januar 2012 -
So, proathlet, da muss ich widersprechen. Nicht „der investigative Sportjournalismus“ (wo genau siehst du den? wie definierst du den?) ist das Problem, sondern die dopenden Athleten. Investigativer Sportjournalismus, der Dinge aufdeckt, die bislang nicht bekannt waren, der Probleme ans Licht holt und dort kritisiert, wo Kritik nötig ist – den gibt es nicht zu oft, sondern viel, viel, viel zu selten.
Pauschale-Hau-Drauf-Boulevard-Kritik mag es zu viel geben, da lasse ich mit mir diskutieren. Das Lächerlich-Machen eines Jan Ullrich, das er sich allerdings zu großen Teilen selbst zuzuschreiben hat, geht sicher zu weit.
Aber die Enthüllungen, bleiben wir beim Beispiel Jan Ullrich, waren wichtig und richtig. Die Zahlungen an Fuentes, das organisierte Teamdoping, die Unterstützung durch Freiburg. Was davon hätte Ihrer Meinung nach davon nicht berichtet werden sollen? Sie kamen sogar viel zu spät und sollten noch viel weiter gehen. Dort gäbe es theoretisch noch genug offene Fragen.
Akkuratesse, wie Sie schreiben, ist wichtig. Aber richtiger, investigativer Journalismus ist genau das: Er recherchiert, sucht nach Belegen, Dokumenten, Zeugen – und veröffentlicht dann. Da kann es gar kein „zu viel“ geben. Wenn Grenzen überschritten werden, weil falsch recherchiert wurde, dann ist das schlecht und gehört zum Teil auch bestraft. Was aber schlecht ist, für den Journalismus und damit für eine demokratische Willensbildung, für die Informiertheit der Öffentlichkeit, sind Klagewellen wegen Kleinigkeiten, wegen vermuteter Fehler. Das ist Mundtotmachen von Journalisten, die – wenn sie ihren Job richtig machen – immer noch vor allem eine Aufgabe haben: Die Öffentlichkeit informieren, die Wahrheit ans Licht bringen. Was ist daran falsch?
8. Januar 2012 -
[…] Wie berichte ich über Dopingfälle? Daniel Drepper rollt den Streitfall zwischen Marathonläufer Viktor Röthlin und spiridon-Schreiberling Manfred Steffny auf. […]
8. Januar 2012 -
Daniel, um bereits anfänglichem Missverständnis vorzubeugen: Es geht nicht um Recherche, Informationen, Belege, Dokumente und Zeugen. Es geht um deren Bewertung und Beurteilung des Sportlers danach. Hat denn ein Investigativjournalist das Recht festzustellen, dass jemand gedopt hat ? Hat er nicht, denk ich mal.
Verdächtigen kann er. Das muss er aber auch so kenntlich machen.
Verurteilen im Sinne eines Vorgriffs auf ein vermutetes oder zu erwartendes Sportrechtsurteil darf er nicht. Aber das wird allzugern gemacht. Ein Journalist kann sich als Richter fühlen, aber er darf es nicht sein. Kampagnen wie gegen Ullrich und Pechstein sind doch beschämend und haben dem Ansehen des Investigativjournalismus geschadet.
„Hau-Drauf-Boulevard-Kritik mag es zu viel geben, da lasse ich mit mir diskutieren. Das Lächerlich-Machen eines Jan Ullrich, das er sich allerdings zu großen Teilen selbst zuzuschreiben hat, geht sicher zu weit.“ Sie schreiben es ja selbst, was ich auch so sehe.
Sicher ist der Journalist auch nur ein Mensch mit Charakter. Aber um seiner Verantwortung zu entsprechen, sollte er einen guten besitzen.
9. Januar 2012 -
proathlet, ich finde, ein Investigativjournalist kann feststellen, dass jemand gedopt hat, wenn er es beweisen kann. Einige Teile der Ullrich- und wohl auch Pechstein-Berichterstattung hatten denke ich nichts mit Journalismus zu tun, andere widerum waren vielleicht sogar investigativer Journalismus. Sicher wird manchmal zu schnell eine Tatsache behauptet, wo ein Verdacht angemessener wäre. Aber über die (konkrete) Arbeit von Kollegen zu sprechen, ohne die Hintergründe zu kennen, ist glaube ich sinnfrei. Danke für die Ergänzungen!
9. Januar 2012 -
Aber wer darf denn feststellen, dass ein Sportler gedopt hat ? Hat er nicht erst nachweislich gedopt, wenn er sportrechtlich verurteilt ist ? Kann man den verdächtigten Sportler aber dann schon vorab einen Doper nennen ? Welche Kategorien des Dopings gibt es denn ? Die moralische, die sportliche, die sportrechtliche, die sportpsychologische, die strafrechtliche und die sportjournalistische ?
Und sicher gibt es noch viele andere relevante Fragen.
Wir haben zur Ächtung eines des Doping verdächtigten Sporlers neben dem sportrechtlichen Schluss bislang kein weiteres Kriterium. Wir haben aber auch die offene öffentliche Diskussion gemieden, obwohl es Anlass genug gegeben hätte. Im Gegenteil. Die Dopingdeutung wurde lediglich in kleinen „Bildungsvereinen“ wie Foren und Blöcken betrieben.
Und das ist das Ergebnis. Wir wissen eigentlich nicht, ab wann wir einen des Doping verdächtigten Sportler Doper nennen dürfen.
Ich bin der Auffassung, erst wenn er in einem sauberen Verfahren sportrechtlich überführt ist. Und auch da kann es noch Vorbehalte geben. Fehlurteile gibt es nicht nur im Zivilrecht- und Strafrecht. Aber das Prinzip wäre erst einmal klar.
Die Recherche von Hintergründen wird oft nur den Journalisten überlassen. Eine Dopingpolizei gibt es ja noch nicht. Dafür aber das Prinzip der „Strict liability“. Ohne dieses im Strafrecht undenkbare Prinzip – da gilt für jeden Mörder bis zuletzt die Unschuldsvermutung – würde das ganze lockere System nicht funktionieren. Test, Ananlyse, Nachweis, neuerdings auch Interpretation der ermittelten Blutwerte. Undurchlässig und fehlerfrei ist das Systm jedoch bei weitem nicht. Je komplizierter, desto anfälliger für menschliche und technische Fehler.
Der Journalist kann das nicht kompenzieren, obwohl er zur Aufklärung viel beitragen kann. Aber er kann niemals die Gerichtsbarkeit ersetzen, obwohl es Vertreter gibt, die gern schon mal Gott spielen möchten. Darüber hinaus gibt es auch schon mal Kollegen, die sich verrennen, aber dann nicht die Größe haben, sich zu korrigieren. Mit Rechthaberei geht es dann meist unschön weiter. Ich will nicht alle in einem Topf werfen, aber geben tut es das schon.
9. Januar 2012 -
Das rechtliche Fundament der Sportgerichtsbarkeit finde ich auch interessant. Warum Autonomie? Wer legitimiert die Umkehr der Unschuldsvermutung? Und es wird immer komplizierter – und damit wackliger, sehe ich auch so. Ab wann können wir einen Doper, Doper nennen … hm … Wie wäre es, weil wir schon drüber gesprochen haben, mit Ullrich. Sportrechtlich nicht als Doper bezeichnet. Aber: Überweisungen bei Fuentes, Blutbeutel bei Fuentes, Teamdoping bei Telekom, Beschuldigungen von Pflegern, Deal mit Staatsanwaltschaft Bonn. Ich finde, das reicht aus. Oder nicht?
9. Januar 2012 -
Ja, Strict Liabiltiy ist reines Sportrecht. Es ermöglicht das scheinbar autonome Vorgehen und verhindert – sportpolitisch gewollt – die Einflussnahme des Zivil- und Strafrechts. Das klappt spätestens dann nicht mehr, wenn ein Betroffener zum Europäischen Menschrechtshof geht. Bislang haben sicherlich stets die zu erwartenden hohen Kosten im Versagensfall den Gang eines verurteilten Sünders dahin verhindert.
Was Jan Ullrich betrifft, so würde eigentlich nach aktuellem WADA-Code der Versuch – in diesem Fall die Lagerung von Blutmargen – ausreichen. Ullrich wurde aber kein Verfahren dazu gemacht. Verkompliziert wurde eigentlich alles, als Frau Bannenberg die Sache auf eine strafrechtliche Weise „regeln“ wollte. Daraufhin schwieg Ullrich bis heute, weil er sicherlich Schaden von sich abwenden und andere schonen wollte.
Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren. Die Rolle des Verbandes, der Veranstalter und der gesamten Entourage ist doch nie beleuchtet worden. Der Sportgerichtsbarkeit reichte ja bislang auch immer der Sportler. Interessant und gleichzeitig ohne Beachtung ist, dass seit einiger Zeit eine IOC-Kommission unter Leitung von Sergej Bubka sich mit dieser Frage der Verantwortung des Umfeldes dopender Sportler befasst.
10. Januar 2012 -
Ich reiche mal den Link zur genannten „Entourage Commission“ nach.
10. Januar 2012 -
Danke für den Link.
Ich finde das Anliegen der Kommission höchst opportun. Ob es zu wesentlichen justiziablen Instrumentarien führt, bezweifle ich mit der bei Kommissionarbeit und dem IOC apriori angebrachten Skepsis. Sehr interessant ist allerdings, dass noch 2006 selbst die WADA nur zögerlich von einer Gesamtverantwortung der Entourage bei Dopingvergehen sprechen wollte und an der Individualisierung und Personalisierung von Doping festhielt. Da haben sich die Zeiten glücklicherweise geändert.
Wenn es bei o.g. Kommissionsarbeit auch zu verwertbaren Ergebnissen kommt, dann stünde die Frage “ Wer hat gedopt ? “ schon mal differenzierter, ohne den Athleten aus der Hauptverantwortung nehmen zu dürfen. Profan gesagt, ich bin überzeugt, dass der Sportler niemals alleine dopen kann. Er braucht das Umfeld. Training wird nach Plänen sportwissenschaftlich organisiert und demzufolge hat der Trainer und/oder Betreuer immer den Überblick über das Leistungsniveau seines Sportlers und evtl. jähen Veränderungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Trainer sich an der Nase herumführen ließe.
Eine der wenigen Ausnahmen bildet wahrscheinlich der italienische Radprofi Ricco, der auf eigene Faust sogar selbstverachtend sein Leben mit dilletantischen Bluttranfusionen riskierte.
11. Januar 2012 -
Ich schicke voraus dass ich von Marathon und seinen Protagonisten keine Ahnung habe. Allein anhand des Artikels kann ich mir kein Urteil darüber bilden, ob ein Dopingverdacht gerechtfertigt ist oder nicht. Wenn ich allerdings nur zwei Sätze heraus picke und auf den Prüfstand stelle, so bin ich, was die Substanz des strittigen Artikel betrifft, bereits voreingenommen. Mit Marathon und seinen Protagonisten kenne ich mich nicht aus, dafür allerdings recht gut mit Radsport.
Manfred Steffny schreibt: “Der krebskranke Lance Armstrong und der asthmakranke Jan Ullrich hatten ähnliche Steigerungsraten nach kümmerlichem Saisonbeginn bei den entscheidenden Rennen. Es gewinnt anscheinend immer öfter der Läufer oder Radfahrer mit dem besten Arzt.”
Diese beiden Sätze sind sachlich falsch und strotzen vor Polemik. Armstrong war, gemessen an seinem wichtigsten Saisonziel Tour de France, immer schon recht früh im Jahr in ansprechender Form. Jan Ullrich ist, soweit mir bekannt ist, kein Asthmatiker sondern Allergiker. Nun versucht Steffny , um seinem Verdacht das nötige Gewicht zu verleihen, mit äußerst billiger Polemik zwei mit Dopingvorwürfen konfrontierte ehemalige Radstars mit der vermeintlich unglaubwürdigen Leistungssteigerung eines Marathonläufers zu vergleichen. Wie absurd ist das denn? Könnte man Armstrongs Höchstleistungen nach seiner Genesung von einer Krebserkrankung grundsätzlich noch mit einer gewissen Skepsis betrachten , so muss man sich doch fragen was das mit seinem jährlich sich wiederholenden und ähnelnden Formaufbau zu tun haben soll. Und welche Wunderwirkung und Leistungssteigerung schreibt Steffny einem Mittel gegen Pollenallergie zu? Wenn Armstrong und Ullrich ihre vermeintliche Leistungsexplosion zum Saisonhöhepunkt ausschließlich ihren Wunderärzten zu verdanken gehabt hätten, warum waren dann andere Fahrer schon früh in der Saison angeblich besser in Form als die beiden? Hatten Armstrongs und Ullrichs Konkurrenten demnach nicht gedopt oder hatten die etwa noch bessere Ärzte? Dürfen Journalisten allein deshalb etwas verdächtig finden, weil sie keine Ahnung von dem haben worüber sie schreiben? Personen mit entsprechender Fachkenntnis, also Trainingswissenschaftler z. Bsp., wissen was man unter einem zielgerichteten Formaufbau in Richtung Saisonhöhepunkt versteht. Viktor Röthlins Ausnahmesituation, eine Krankheit und in deren Folge Trainingsausfall, mit Armstrongs und Ullrichs jährlichem Formaufbau zu vergleichen ist genau die Art der an den Haaren herbei gezogenen “Argumentation” die der Berichterstattung über Doping häufig zugrunde liegt.
Der Wunsch nach juristisch abgesegneter Verdachtsberichterstattung in Sachen Doping ist nicht zu überhören. Die Erfahrung der letzten Jahre, konkret der Umgang mit dem Fall Jan Ullrich, verheißt jedoch nichts Gutes. An diesem Fall kann man erkennen, dass die Verdachtsberichterstattung ausschließlich bei der Demontage von Athleten Anwendung finden soll. Bestes Beispiel: Jeff D´Honts Anschuldigungen, Jan Ullrichs vermeintliches Doping betreffend, wurden in der Berichterstattung nicht im geringsten angezweifelt. Dabei gab es genügend Hinterfragenswertes und Hinweise darauf dass D´Honts Behauptungen, Jan Ullrich habe am Teamdoping teilgenommen, unwahr sind. Stattdessen wurde die Story D´Honts immer wieder neu aufgewärmt. Nun ist endlich Schluss damit. Nachdem D´Hont seinen Geldbeutel durch mehrere Interviews eine Weile auffüllen konnte und er großspurig die Veröffentlichung eines weiteren Buches, hauptsächlich über Jan Ullrich, angekündigt hatte, wurde der Fortsetzung dieser Schmierenkomödie durch Ullrichs Anwälte ein Riegel vorgeschoben.
@Daniel Drepper
Sie nennen Jan Ullrich in einem Atemzug mit M. Jones und haben geschrieben: “Marion Jones oder Jan Ullrich stolperten zuletzt über falsche Versicherungen an Eides statt.“
Bei einer falschen Versicherung an Eides statt handelt es sich um kein Kavaliersdelikt, sondern um ein strafrechtlich relevantes Vergehen das bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe führen kann. Richtig ist dass M. Jones einer falschen Eidesstattlichen Versicherung überführt und daraufhin zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Aber Jan Ullrich? Was veranlasst Sie zu dieser Feststellung? Mir ist durchaus bekannt dass Prof. Werner Franke versucht hat ein strafrechtliches Verfahren gegen Jan Ullrich zu erwirken, indem er ihn anzeigte. Nach meinem Kenntnisstand wurde dieses Ansinnen, jeweils nach Prüfung durch die StA Bonn bzw. Hamburg, abgewiesen. Für eine derart schwerwiegende Anschuldigung muss man nämlich über gerichtsfeste Beweise verfügen. Es genügen nicht irgendwelche Indizien die man zu Beweisen erklärt.
Ich bin übrigens nicht der Ansicht, dass Überweisungen an Fuentes und bei ihm lagernde Blutbeutel ausreichen um Jan Ullrich einen Doper nennen zu dürfen. Die Indizien lassen lediglich einen Verdacht zu und genauso hätte es korrekterweise durch die Medien kommuniziert werden müssen. Auch wenn sein bei Fuentes sichergestelltes Blut zu einer sportrechtlichen Sanktion führen könnte, so ist es längst kein Beweis dafür dass Jan Ullrich jemals gedopt hat. Ich bin überzeugt dass er während seiner ganzen Karriere niemals (vorsätzlich) gedopt hat. Ich habe mich, seinen Fall betreffend, weder durch bewusste noch unbewusste fehlerhafte, unwahre und voreingenommene Berichterstattung beeinflussen lassen und eigenständiges Denken bevorzugt. Es gibt genug Indizien die mich in meiner Überzeugung bestätigen. Jan Ullrich hat sich überhaupt noch nicht zu den Anschuldigungen geäußert. Wir sollten , so meine ich, zumindest seine Erklärung zu den Dopingvorwürfen abwarten.
11. Januar 2012 -
@panni
Der Fall Ullrich kann kommende Woche ein sportrechtliches Intermezzo erfahren. An mehr glaube ich nicht. The beat goes on. Und dann wird man sich wieder für eine Weile festschreiben, ungenaue Fakten schildern und unpassende Fotos zuordnen.
Ihr Beitrag stößt einen mit der Nase drauf: Gerade in solchen Fällen bedarf es der peniblen Recherche und keiner wagehalsigen und spektakulären Schlussfolgerungen. Hier hat ja Steffny bei aller Vermutung geradezu gesündigt.
Armstrong, den Sie erwähnen, wird wahrscheinlich wie im radsportlichen Leben auch hier seinen Rivalen Ullrich toppen. Er wird länger in den Medien sein und komplexer beleuchtet werden. Das Ergebnis ist offen, gerade weil der Fall so komplex ist. Novitzky ist am Zuge. Der Whistleblower Landis wackelt zu regelmäßig. Der internationale Verband hat genug Grund nicht zu kooperieren – da hängt ja sogar das IOC mit drin – bzw. klagt gegen den ungeliebten Kronzeugen. In diesem Kontext erinnere ich mich an den TV-Beitrag von Seppelt/Kempe, die mithilfe eines Landis-Interviews sich am Fall Armstrong fast verhoben haben.
Bei der Causa Contador ist allerdings Seppelt im Zusammenspiel mit dem Kölner Dopinglabor beinahe ein Husarenstück gelungen. Ob es denn erfolgreich wird, liegt jetzt auch am Entscheid des CAS.
Tja, ab wann kann man einen Sportler eine Doper nennen ? Auf keinen Fall, wenn bloß der Wunsch der Vater des Gedanken ist, sondern erst dann, wenn die Sportgerichtsbarkeit so entschieden hat. Rehabilitation bleibt trotzdem möglich.
Übrigens wird der Sport nicht sauberer, wenn die Sprache und der Umgang mit Sündern härter werden. Es bedarf eindeutigerer Regeln und konsequenter Massnahmen ggü. dem Sünder u n d seinem Umfeld. Einen Sportler mehr oder weniger in den Knast zu schicken, ist nicht die Lösung. Insofern hat mir Marion Jones auch Leid getan.
12. Januar 2012 -
Das Umfeld wird definitiv noch immer viel zu schwach beleuchtet. Warum stellen Verbände nicht Strafanzeige, BEVOR der Sportler über positive Proben informiert wird.
Ich finde die Recherche von Steffny wie geschrieben auch nicht genügend und es ist sicher zu definieren, wann man einen Sportler Doper nennen darf. Die Ausgangafrage war aber, wann man einen Dopingverdacht äußern darf. Der ist bei Armstring und Ullrich klar gerechtfertigt.
@panni: Herzlich Willkommen. Aber: Nicht dein Ernst, dass du glaubst, Ullrich habe „niemals (vorsätzlich) gedopt“?
13. Januar 2012 -
@proathlet
Ich sehe dass wir beide, was die Berichterstattung über Doping in den Medien betrifft, ähnliche Erfahrungen gemacht und deshalb wenig Hoffnung auf Besserung haben. Weitestgehend stimme ich mit Ihnen überein. Einzige Ausnahme: Ihre Meinung zu Hajo Seppelt und damit natürlich auch zum Fall Contador. Beides stellt sich für mich völlig anders dar.
Auf die Frage wer mich als Sportjournalist in der Berichterstattung über Doping bisher überzeugt hat, fällt meine Antwort kurz aus. Es gibt nur einen einzigen dem ich ein gewisses Maß an Vertrauen entgegen bringe und das ist Ralf Paniczek. Er ist mir erstmals bei der letztjährigen TdF bewusst „über den Weg gelaufen“ und hat mich mit seiner kurzen Einschätzung zum Fall Contador allein damit überzeugt, dass er wusste wovon er sprach. Keine Polemik und keine Wiedergabe der bis dahin allgemein verbreiteten „Wahrheiten“. Ralf Paniczek hat das Urteil des spanischen Verbandes, inklusive der beigefügten Gutachten, gelesen und sich seine eigene Meinung gebildet. Hut ab! Als Hajo Seppelt spekulierte dass der positive Befund Contadors von der UCI unter den Tisch fallen gelassen werden sollte, war die WADA längst informiert und im Dialog mit der UCI. IMO versucht Seppelt mit seiner Art von Verdachtsjournalismus Sportler vorzuverurteilen. Spekulationen werden von ihm so dargeboten, dass sie kaum Zweifel am Fehlverhalten der Beschuldigten zulassen. Das war schon im Fall Jan Ullrich so und das hat sich so fortgesetzt. Konkret was die Berichterstattung im Fall Contaor betrifft, vermittelte diese den Eindruck, als habe man in Contadors Urinproben genau die Sorte Weichmacher nachgewiesen, wie sie u. a. auch in Beuteln zur Blutaufbewahrung verwendet werden. Tatsächlich hat man bei ihm Weichmacher festgestellt, ohne dass man jedoch deren Herkunft zuordnen kann. Weichmacher sind im vielen Produkten enthalten und jeder Mensch nimmt davon im Alltag welche auf, die einen mehr und die anderen weniger. Was sagt das aus dass bei Contador die achtfache Menge der „normalen“ nachgewiesen wurde? Was ist als normal anzusehen? Ein Radprofi, im konkreten Fall bei einer dreiwöchigen Rundfahrt, der täglich mehrere Stunden unter enormer physischer Belastung, teilweise bei großer Hitze, massenhaft Getränke aus Plastikflaschen, Gel aus Plastikbeuteln und keine Ahnung was sonst noch alles aus Weichmacher enthaltenden Verpackungen zu sich nimmt, dabei das eine oder andere Mal selbige mit den Zähnen aufreißt, kann mit Sicherheit nicht als „Normal“verbraucher eingestuft werden.
13. Januar 2012 -
@Daniel
Danke für den Willkommensgruß. Ich bin ein wenig unsicher, da es hier mit dem Duzen und Siezen unterschiedlich gehandhabt wird. Ich habe kein Problem damit, mich den Gepflogenheiten anzupassen. Ich greife mal den Faden auf und gehe daher zum Du über.
Wie ich bereits in meinem ersten Kommentar schrieb, halte ich den Dopinverdacht gegenüber Jan Ullrich durchaus für gerechtfertigt. Einen Verdacht muss man aber als solchen eindeutig erkennen können. Jemanden einen Doper zu nennen entspricht bereits einer Tatsachenbehauptung.
Zu deiner Frage: Natürlich ist das mein Ernst. Was spricht denn dagegen? Indizien sind keine Beweise und wie ich bereits schrieb gibt es ebenfalls solche (und für mich überzeugendere als die die für Doping sprechen) dass Jan Ullrich nicht gedopt hat. Teamdoping bei Telekom und ein vermeintlicher Deal mit der StA sind nicht mal Indizien. Das als sicheren Hinweis für Doping anzusehen zeugt von Voreingenommenheit. Wer sein Urteil ausschließlich auf belastende Indizien stützt, kann oder will die entlastenden nicht wahrhaben.
13. Januar 2012 -
@panni
Ich hatte vergessen, eine augenzwinkernden Smily bei „Husarenstück“ zu setzen so schnell kann es dann mit einem Missverständnis gehen.
Ihre Erklärungen zur Causa Contador klingen plausibel. Untersuchungen auf Weichmacher sind ja meines Wissens nur bei Contador vorgenommen worden, wodurch es keinen Vergleich zu anderen Profis gibt. Das fiel vielen auf, nur der WDA nicht.
Contador ist allerdings landläufig, auch wie andere bereits vor ihm, ohne Urteil als Doper ausgemacht worden. Da wartete man auch den CAS-Entscheid nicht erst ab. Wie kompliziert es jedoch zu sein scheint, ist schon in der Tatsache der ständigen Urteilsverschiebung durch den CAS zu erkennen. Oder sind die Herren dort einfach zu gemächlich ?
Interessant, was Sie zu Ralf Paniczek schreiben. Haben Sie da einen Link ?
13. Januar 2012 -
@proathlet
Tja, was für ein Missverständnis! Dann sind wir uns also auch in Bezug auf Hajo Seppelt einig.
Also den Ralf Paniczek habe ich rein zufällig bei einer Fernsehübertragung von der TdF im ZDF gesehen. Bei den ÖR schaue ich normalerweise keine Radrennen mehr, nur in Fällen von Mangel an besseren Gelegenheiten. Möglicherweise finden Sie das in der ZDF-Mediathek, oder einfach mal googeln. Viel kenne ich leider auch noch nicht von ihm, aber ein recht ausführliches TV-Interview mit Matschiner und dessen Rolle als Dopingdealer, das ich allein von der Art der Fragestellung als mal ganz anders als die üblichen Aufklärer-Interviews empfand, ist mir in Erinnerung. Möglicherweise ist auch das noch in der ZDF-Mediathek zu finden.
16. Januar 2012 -
Ich freue mich natürlich, dass hier eine Diskussion entsteht. Was mir weniger gut gefällt ist, wenn relativ hart über vermutlich nicht mitlesende Kollegen geschimpft wird. Wenn ein Problem besteht mit einem Beitrag eines Kollegen, ganz konkret, dann würde ich mich freuen, wenn man das wie folgt lösen könnte: Link zum Beitrag, konkreten Fehler benennen. Einem meiner Ansicht nach sehr gutem Kollegen pauschal „Verdachtsjournalismus“ zu unterstellen, finde ich nicht gut.
Und @panni: Man lagert sein Blut bei Fuentes gegen eine Gebühr von zehntausenden Euro also zum Spaß? Ich denke, wir kommen da nicht auf einen Nenner.
16. Januar 2012 -
Wissen Sie Daniel, das ist ja genau das Problem. Manche ihrer Kollegen sind wahrscheinlich von vornherein gar nicht an irgendeiner Art von Feedback interessiert, so sicher scheinen sie sich mit ihren Behauptungen. Moderat ist das nicht gerade. Wenn sich dann der Souverän ;-) – der Konsument – meldet, sollte man auch einstecken können. Austeilen geht ja auch. Öffentliche Meinungsbildung bleibt sonst eine Einbahnstraße und das ist mir suspekt.
Aber Ihren Vorschlag, rein technisch gesehen, finde ich okay. Die Kollegen müssen ja nicht mit Ihnen grollen, aber vllt. betrachten sie es als Beihilfe zum Widerspruch. Halten Sie das aus ?
16. Januar 2012 -
@proathlet: Mir ist das Recht. Ich möchte nur, dass es sachlich bleibt. Dann ist alles gut :)
21. Januar 2012 -
Eigentlich schade. Allerdings wie überall. Zu wenig Interessenten ud zu wenig Interese an einer Diskussion. Ja, und dann immer die Fragen, die nicht beantwortet werden (können oder wollen). Das offene Medium Internet hat halt auch seine (durchaus auch sehr) engen Grenzen.
9. Februar 2012 -
[…] ein paar Tagen habe ich hier im Blog noch diskutiert, ab wann man einen Athleten des Dopings bezichtigen darf. In den Kommentaren habe ich auch über […]
1. März 2012 -
[…] In der kleinen Laufzeitschrift Spiridon hatte Steffny Ende 2010 einen Text über Röthlins überraschenden EM-Titel im Marathon veröffentlicht. “Unglaublich! Todkrank und jetzt Europameister” titelte Steffny damals. Nach Röthlins Klage entschied die erste Instanz im Sommer 2011: Steffny muss ein paar Dinge richtig stellen, aber keinen Schadensersatz zahlen. Röthlin war nicht glüclklich mit der Entscheidung und reichte Berufung ein. Ich hatte vor ein paar Wochen hier im Blog ausführlich berichtet. […]
5. März 2012 -
[…] Das erstinstanzliche Urteil und ein paar Hintergründe […]